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Selbstzweifel überwinden – der wichtigste Schritt

Als ich im Jahr 2005 mein Diplom der Psychologie überreicht bekam, war ich über meine eigene Reaktion sehr verwundert. Ich fühlte eine Mischung aus Stolz und Zweifel. Selbstzweifel! Hatte ich das Einser-Diplom wirklich verdient? War ich wirklich so gut? Vielleicht habe ich nur Glück gehabt in den Prüfungen und die Prüfer meinten es gut mit mir? Vielleicht wurden mir einfach nur die richtigen Fragen gestellt? Was, wenn andere merken, dass ich eigentlich gar nichts weiß?

Das Hochstapler – Phänomen

Diese Erfahrung, die ich damals machte, ist ein ganz typisches Merkmal für Menschen mit Selbstzweifeln. Sie können ihre eigene Leistung nicht anerkennen und für sich auf der „Haben-Seite“ verbuchen. Gute Leistungen werden lieber auf einen glücklichen Zufall zurückgeführt oder damit erklärt, dass andere nur nicht bemerkt hätten, wie wenig man im Grunde kann. Man fühlt sich wie eine Mogelpackung und ist in ständiger Angst aufzufliegen. Psychologen nennen dies das Imposter-Syndrom oder auch Hochstapler-Phänomen.

Der Begriff wurde erstmals 1978 in einem Artikel von Pauline R. Clance und Suzanne A. Imes eingeführt. Beobachtungen zeigten, dass insbesondere erfolgreiche und intelligente Frauen von diesem Phänomen betroffen waren. Dabei fällt mir ein, dass ich im Alter von ca. 18 Jahren einen Intelligenztest machen ließ und mir ein IQ von 133 bescheinigt wurde. Damit galt ich als hochbegabt. Wow! Wieder diese Mischung aus Stolz und Zweifel. Und so misstraute ich auch diesem Test. „Bestimmt hat der Berater sich verrechnet.“, „Ich hab eben Glück gehabt, würde ich den Test wiederholen, würde ich viel schlechter abschneiden.“ waren meine damaligen Gedanken.

​Mittlerweile wird klar, dass nicht nur Frauen sich mit derlei selbstabwertenden Gedanken plagen, sondern das Hochstapler-Phänomen geschlechtsunabhängig auftritt. Es bezieht sich dabei immer auf Leistungssituationen – kaum auf soziale Gegebenheiten. Gute und sehr gute Leistungen werden externen Ursachen zugeschrieben (Glück, Zufall, ein netter Prüfer usw.), während die Ursachen für Misserfolge innerhalb der Person gesucht werden (mangelnde Fähigkeiten).

Meine wichtigste Erkenntnis

Gerne gesellt sich zum Hochstapler-Syndrom noch ein gemeiner Perfektionismus hinzu, der schier unmenschliche Erwartungen an die eigene Person, aber auch an die Mitmenschen stellt. Wie oft schon habe ich gehört „Du hast aber auch ziemlich hohe Erwartungen.“ Misserfolg ist quasi vorprogrammiert und so schließt sich der Kreis der ständigen Selbstabwertung. Hat man es doch mal geschafft, seine hohen Erwartungen zu erfüllen, kann man sie nicht feiern, denn sie beruhen ja lediglich auf Glück und Zufall. Meist aber steckt man die Ziele vorsorglich so hoch, dass sie ohnehin unerreichbar bleiben, womit ein ausgeklügeltes Muster der Selbstabwertung in Gang gesetzt wird.

In diesem Muster war ich über viele Jahre und sogar Jahrzehnte gefangen. Sätze wie „Das schaffst du schon.“ oder „Du kannst das!“ prallten an mir ab und hinterließen ein Gefühl des Nicht-verstanden-werdens. Wenn ich jedoch auf eine Person traf, die mir signalisierte, dass sie wirklich an mich glaubte, sich mit mir auseinandersetzte und mir Empathie entgegenbrachte, dann war dies wie Balsam für mich. So lange, bis sich ein weiteres tückisches Muster auftat, denn ich wollte natürlich Recht behalten und diesen Menschen beweisen, dass ich wirklich nichts kann. Was glaubst Du, wie lange es der Andere dann mit mir aushielt und versuchte, mich vom Gegenteil zu überzeugen? Genau: nicht allzu lang.

Irgendwann war Schluss. Ich hatte selbst genug von dem eigens von mir (wenn auch unbewusst) kreierten Spiel der Selbstabwertung. Ich stellte mir die Frage: „Wieviele Jahre deines Lebens willst du noch mit Selbstzweifeln verbringen? Wie lange willst du noch deine Lebenszeit vergeuden mit diesem Quatsch? Bist du wirklich so gemeint gewesen? Oder kannst du deine Lebensaufgabe nicht viel besser erfüllen, indem du diese Zweifel überwindest, dir klar machst, was du kannst und ENDLICH deine Lebenszeit nutzt? Die erste Hälfte deines Lebens ist rum. Vergeude nicht auch die zweite indem du dich klein machst und dich in Frage stellst!“ Wow! Diese Fragen hatten es echt in sich. Mir wurde plötzlich bewusst, was ich davon hatte, diese Muster anzuwenden:​

  • ich musste nie zu meiner Größe stehen
  • in meiner Gegenwart fühlten sich andere groß, da ich mich klein machte
  • mir wurde gut zugeredet und Mut gemacht – das tat gut
  • ich musste keine Selbstverantwortung übernehmen
  • ich hatte immer ein „Ja, aber…“ als Argument, um Dinge nicht angehen zu müssen
  • usw.
Was du tun kannst, um deine Selbstzweifel zu überwinden

Für mich war der wichtigste Schritt, mir klar zu machen, welches Spiel ich da eigentlich spielte und was ich davon hatte, was für mich dabei heraussprang, wenn ich mich derart in Frage stellte. So unangenehm Selbstzweifel auch sein mögen, sie haben immer auch ihre positiven Seiten, bewahren uns vor Unangenehmem, schonen uns, nehmen uns Verantwortung ab.

Werde dir dessen bewusst und dann: ENTSCHEIDE DICH!

Wie lange willst du noch so weiterleben?

Wie lange willst du noch deine Lebenszeit verschwenden?

Übernimm die Verantwortung für dich, dein Leben und deine Erfolge und feiere sie.

Die Beantwortung dieser Fragen erachte ich als einen der wichtigsten Schritte zur Überwindung der Selbstzweifel, dieser Schritt hat bei mir die Kehrtwende gebracht. Wir Menschen sind zielgerichtete Wesen und hinter jedem Verhalten steckt neben dem bewussten Ziel immer auch ein unbewusstes. Finde dein unbewusstes Ziel, das du mit den Selbstzweifeln erreichen willst und dann überlege dir, ob du so weiter machen willst. Sei schonungslos ehrlich zu dir selbst, dann findest du die Antwort!

Dabei wünsche ich dir alles Gute und viel Erfolg!

(Foto von cottonbro von Pexels)


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